Es ist, so denke ich, nicht nötig darzustellen, was die aktuelle Flüchtlingssituation bedeutet. Ich selbst gehöre zu denen, die sich immer wieder gesagt haben: „Verdammt, da MÜSSTE MAN doch bei Gelegenheit mal was tun.“ Am Donnerstag, 3. September, ändert sich alles komplett für mich: „DAS BILD“ taucht in meiner Timeline auf – Aylan Kurdi am Strand von Bodrum angespült. Ein Bild so friedlich, was mich aber zugleich so wütend machte. Wenn ein Photosop-versierter die Haare blond färbt, könnte das ein Bild meines Sohnes sein. „Verdammt, ICH WERDE was tun.“ Die Frage nach dem „Was konkret?“ war schnell beantwortet: Bei RB-Fans.de startete Forenmitglied tomsen (ja, ich kenne seinen Realnamen, aber er möchte gerne in dem Zusammenhang „tomsen“ genannt werden) eine Flüchtlingseinladungsaktion. Der „Haken“ an der Sache: ausgerechnet an dem Tag sollte ein Kindergeburtstag im Stadion gefeiert werden. Billige Ausrede – Töchterchen ist groß genug und es waren genügend Eltern da, so dass ich definitiv dabei war!
Das Zusammenkommen: Ein bunter Haufen traf sich am Elsterflutbecken. Neben dem Treffpunkt: Ein erfreulich entspannter Flüchtlingsalltag auf der Wiese. Wären die Ethnien in Leipzig so durchmischt wie in einer normalen US-amerikanischen Großstadt, würde man nicht merken, dass 50 Meter weiter eine Flüchtlingsunterkunft ist. Tomsens erste Rede verläuft richtig gut und so konnte es nach Verteilung unserer Eintrittskarten und dem obligatorischen Spendensammeln (das Gros der Teilnehmer hat den üblichen B-Sektor-Eintritt in die Johanniter-Spendenbox geworfen) Richtung Festwiese gehen.
Auf der Festwiese angekommen gab es erst mal Schweigen und „Und nun?“-Blicke. Tomsen – Mann der Stunde – tat, was ihm die Intuition gebot: er fing an zu klatschen. Der Rest ist einfach: 1000 Hände (plusminus x) klatschten mit, Fremde fanden zueinander und gingen in kleinen Grüppchen in Stadion. Ich traf auf Malik, der sich vor drei Monaten auf dem Weg über Land von Syrien aus nach Deutschland machte, wo er vor wenigen Tagen ankam. Seine Familie ist bereits unmittelbar nach Kriegsbeginn in einem türkischen Flüchtlingscamp gelandet – soviel dazu, dass „die“ alle ihre Familien im Krieg zurück lassen. Seit drei Jahren studiert Malik Jura. Sein Traum: Das Studium beenden, welches er vor vier Jahren begonnen hat. Seit Malik auf der Flucht ist lernt er deutsch, Sprachschwierigkeiten gab es kaum, und die wenigen, die es gab, konnten wir anderweitig lösen.
Im Stadion angekommen, ging es schnell zur Sache: Block 23 und umliegende Bereiche, in die uns RB Leipzig eingeladen hat, waren schnell in Beschlag genommen. Der B-Sektor staunte nicht schlecht – wie laut es außerhalb ihres Wohnzimmers so früh war. 🙂 Malik und ich gingen in die erste Reihe (übrigens da, wo ich zur WM 2006 beim Spiel Frankreich – Südkorea gesessen habe), wo ich dann aber von Regulärkartenbesitzern „vertrieben“ wurde. Macht nix. Die Syrer in der Reihe hinter mir machten Platz (auch für meinen Patenkollegen Steffen), so dass ich nun richtig mitten drin war. Die Stimmung war großartig. Der Support dem B-Sektor ebenbürtig. Die Lieder wurden mitgesungen (auf deutsch – die Texte konnten wir unseren Gästen schnell beibringen), Block 23 hüpfte – Danke an unseren B-Sektor Capo und ich habe NUR zufriedene Gesichter gesehen. Und kurz vor Schluss bedankten sich die Gäste: statt „We Will Rock you“ hieß es „We Will Leipzig“ – Gänsehaut und Pippi in den Augen 🙂 Schönes Abfallprodukt des rundum gelungenen Abends: Die Begleiterinnen der Johanniter konnten 2 Stunden lang die Beine lang machen und konnten selbst rundum zufriedene Gesichter machen – und das haben sie sich redlich verdient.
Ein Spiel gab es übrigens auch noch. Die Roten Bullen kamen endlich in Tritt. Und als Deutscher bin ich natürlich in der Pflicht, das Haar in der Suppe zu suchen. Tim Sebastian blieb auf der Bank – Schade! Aber das Endergebnis passte!
Rund um die Aktion gab es auch ein wenig Schatten, aber der geht mir dermaßen am Arsch vorbei, dass ich ihn nicht weiter thematisiere.
DANKSAGUNG
Ich danke:
- Allen, die sich tag für Tag den Arsch aufreißen, damit die Flüchtlinge in Deutschland ankommen, ein Dach über dem Kopf und ein wenig Menschenwürde erhalten
- meinen Freunden, die sich im Stadion um meine Tochter gekümmert haben, so dass ich als Pate im Block 23 dabei sein konnte
- Person X, deren Facebook-Posting mir dermaßen in den Arsch getreten hat, so dass aus dem „man sollte“ ein „ich werde“ wurde
- den Roten Bullen, die die Aktion tatkräftig unterstützten
- der Security im Stadion, die keinen Dienst nach Vorschrift schoben, sondern die Menschen auf den Treppen feiern und supporten ließen
- TOMSEN, der ein klein wenig tun wollte, und dem letztlich eine Riesensache geglückt ist